WOZU DIE NEUEN LAUTSCHRIFTEN?
Wie kann ich am leichtesten und am schnellsten die Wörter einer fremden Sprache richtig vorlesen bzw. aussprechen, wenn ich nur (m)eine Sprache und Schrift kenne und nicht viel Schuljahre aufzuweisen habe oder wenn ich noch niemals im Leben eine Fremdsprache gelernt habe?
Mit Hilfe einer Lautschrift, die aus meiner Muttersprache her entstanden ist.
Warum?
Wenn ich keine Erfahrung mit fremden Lauten und merkwürdigen Buchstaben(kombinationen) habe, die diese graphisch darstellen, fällt es mir schwer, diese zu entziffern. Gleichzeitig stört mich die Tatsache, dass ich die Wörter, die ich so gerne ordentlich aussprechen möchte, immer aufs Neue falsch vorlese. Schauen wir uns an, warum das passiert.
Beispiel 1: Schule; Stunde; Sparen
„SCHule“
Durch den Vergleich des graphisch dargestellten mit dem von meiner Lehrerin richtig ausgesprochenen deutschen Wortes „Schule“ komme ich (aus dem eigenen Sprach- bzw. Lautsystem betrachtet) zum folgenden Schluss: Wenn sie nebeneinander stehen, werden im Deutschen die Buchstaben S+C+H als ein einziger Laut ausgesprochen, vorgelesen und gehört.
Dieser Laut wird in meiner Muttersprache mit dem Symbol (Buchstaben) „Š» (in türkischer als «Ş“) dargestellt. Da mir «mein» Laut bzw. sein Klang bestens bekannt ist, kann ich mir dieses Wort als «Šule» (‘Şule’) vorstellen. Dabei weiß ich 100%, wie ich es auszusprechen habe!
Ich werde künftig jedes Wort, in dem ich «mein Š/Ş’ höre, mit diesen drei Buchstaben (S+C+H) schreiben wollen, da ich das als allgemein gültige Regel gelernt habe. Genauso werde ich erwarten, sie nebeneinander überall dort vorzufinden, wo ich im vorgelesenen Wort «mein Š/Ş» identifiziert habe.
Ich freue mich über meine Erkenntnis. Sehr bald erwartet mich aber eine Überraschung, die meinen spontanen und hilfsreichen Vergleich mit der Muttersprache zunichte macht. Ich erblicke nämlich das Wort
Stunde
(also nicht SCHtunde)
Ich will dieses Wort als S-T-U-N-D-E aussprechen, da ich nirgends SCH sehe. Meine Lehrerin spricht es aber so aus, als ob in diesem Wort das mir inzwischen schon «bekannte» SCH vorhanden wäre!
Was soll ich jetzt denken? Dass im Deutschen sowohl SCH als auch S wie «mein Š/Ş» vorzulesen bzw. auszusprechen sind! In dieser Annahme einer Regel bekräftigt mich auch das Wort
sparen
(also wieder einmal nicht schparen)
Denn meine Deutschlehrerin liest es wieder wie «mein» šparen/şparen vor!
Beispiel 2: Saft; Haus; dass; aussaugen; Fluß
Sobald ich das Wort «Saft» erblicke, will ich es als «Šaft/Şaft» vorlesen! Auf Grund der Schreibweise erwarte ich genau das auch aus dem Mund meiner Lehrerin zu hören. Denn ich bin felsenfest davon überzeugt, dass im Deutschen sowohl S als auch SCH als «mein Š/Ş vorzulesen/auszusprechen sind.
Sie sagt aber nicht «Šaft/Şaft» sondern «Zaft»!
In meiner Sprache existiert nämlich ein Laut, der einer Biene ähnlich klingt und dieses neue deutsche «S» (welches nicht mehr Š/Ş ist) wiederspiegelt. Er wird aber bei uns mit dem Buchstaben Z dargestellt.
OK, sage ich mir: Dann soll ich auch das Wort «Haus» als «Hauz» aussprechen. Mitnichten. Jetzt sagt meine liebe Lehrerin wieder etwas Drittes: «Haus». Also endlich ein mir aus meiner Muttersprache als «Schlangen-S» (ähnelt dem Zischen) bekannter Buchstabe und der Laut, der dazu perfekt passt! Aber warum nicht «Hauz»?
Und erst das ominöse SS! Im «dass» sind das zwei mir aus meiner Sprache als solche bekannte S-en. Im «aussaugen» ist das erste S mein S, aber das zweite muss schon wieder als mein Z ausgesprochen werden.
Jetzt kommt von oben drauf auch das ß dazu! Dieses unheimliche Zeichen ist für mich genauso schockierend wie Ö, Ä, Ü und ÄU, da ich so etwas aus meinem Alphabet nicht kenne (im türkischen gibt es glückicherweise Ö und Ü)!
Ich muss mir also jedes Mal gut überlegen, wie welches von diesen merkwürdigen Buchstaben auszusprechen ist und wann welcher Buchstabe zu verwenden ist?
Gibt es denn keine auch annähernde Entsprechung in meiner Muttersprache, die mir Hilfe leisten kann? Was soll ich tun? Wann was? Und warum? Gibt es überhaupt irgendwelche immer geltenden Regeln?
Schon, aber ich kann sie SEHR schwer verstehen und die Lehrerin kann MEINE Sprache und MEIN Lautsystem nicht so gut, um mir einmal für immer erklären zu können, wann ich welches S, SS, SCH oder Z oder was auch immer verwenden soll! Deshalb brauche ich am Anfang eine gute Stütze oder Krücke.
Diese Rolle kann die Lautschrift spielen, die auf Grund der Leseregel bzw. Klangwerte einzelner Laute in meiner Muttersprache entstanden ist und die mir jedes deutsche Wort (völlig unabhängig von der Anordnung der Buchstaben, aus welchen sie in ihrer Originalfassung besteht) so „darstellt“, wie es in meiner Sprache ausgesprochen würde. Und diese Art entspricht fast gänzlich der DEUTSCHEN Art der Aussprache!